Die Langweile gehört eher zu den unliebsamen Gefühlen - besonders im Job. Dabei weist sie uns daraufhin, ob wir unsere Zeit gerade sinnvoll verbringen, oder doch eher verschwenden. Außerdem sind Phasen der Langeweile wichtig und fördern die Kreativität. Wie wir sie uns zu Nutze machen können, zeige ich dir in diesem Beitrag.
Das widersprüchliche Empfinden von Zeit
Das sogenannte Zeit-Paradoxon beschreibt ein widersprüchlich scheinendes Erleben von Zeit. Wenn wir viel neues Erleben, dann scheint die Zeit im Moment nur so zu rasen. Im Rückblick scheint uns die Zeit jedoch sehr lang, weil wir so viel neues erlebt haben und dadurch sehr viele neue Erinnerungen abgespeichert haben.
Mit der Langeweile verhält es sich genau andersherum. Deswegen heißt die Langweile auch so, denn wenn wenig Neues passiert, fühlt sich die Zeit im Moment sehr lang an. Im Rückblick scheint sie jedoch sehr kurz gewesen zu sein, weil wir kaum Erinnerungen abgespeichert haben. Deswegen hat sich 2020 mit Lockdowns auch ewig zäh angefühlt während wir uns im Nachhinein alle fragen, wo das Jahr eigentlich geblieben ist.
Langeweile ist ein Gefühl und Gefühle geben uns wichtige Rückmeldungen zur aktuellen Situation. Schmerz zeigt uns z.B. meistens, dass uns etwas nicht gut tut und ist i.d.R. ein STOPP-Signal.
Photo: Valeria Ushakova
Was sagt uns also die Langeweile?
Die Langeweile zeigt einen unerfüllten Wunsch nach sinnhafter Beschäftigung an (laut dem Psychologen John Eastwood). Langeweile trägt also die Botschaft "Lass uns was verändern, das hier ist nicht sinnvoll!" und stößt meist wichtige Denkprozesse an.
Ich war am Wochenende krank und hab mich von allen Verpflichtungen frei gemacht. Ich hab mich einfach erholt und selbst der Haushalt wurde mir von meinem Zukünftigen abgenommen. Samstagnachmittag kam dann auf einmal die Langeweile auf. Ich freu mich ja immer, wenn die kommt, weil ich dann weiß, dass ich genug Entspannung hatte. Und während ich bei einem Erkältungsbad an die Decke gucke und mich langweile, kommen ganz viele Ideen, was ich mal wieder tun möchte. Was Leckeres kochen, lesen, mich mal wieder bei ein paar lieben Menschen melden. Ein richtig schönes Gefühl und obwohl krank, bin ich voller Elan aus der Wanne gehüpft und hab mir die Zeit für kleine Dinge genommen, die für mich wertvoll sind.
Dir ist nie langweilig?
Ich dachte ja auch immer, dass das was Gutes wäre. Nur einem langweiligen Geist, ist langweilig, richtig? Und nur der Faule hat nix zu tun. Da wurden wir leider hinter's Licht geführt... Gerade weil die Langeweile unseren Wunsch nach sinnhafter Beschäftigung verfolgt, ist es fatal sich nicht zu langweilen. Wenn du dich nicht langweilst, weil du ausschließlich sinnvoll deine Zeit verbringst - Probs for you!
Leider haben wir mit tausend To-Dos und Zielen oft keine Zeit für Langeweile. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir unsere Zeit sinnvoll verbringen. Im Gegenteil, das ständige Beschäftigt-Sein lässt keine Langeweile und damit keine Zeit für Reflektion zu. Man nennt das auch Busy-Work. Arbeit die eigentlich keinen Mehrwert schafft, aber uns eben beschäftigt hält. Dazu gehören z.B. unnötige Meetings, manche administrative Tätigkeiten und die Prokrastionationsaktivitäten.
Wir lassen dem Gefühl, der Stimme, die uns hilft zu erkennen, was wir als sinnhaft empfinden und was nicht, keinen Raum. Sobald wir anfangen uns zu langweilen, zücken wir das Handy, checken LinkedIn oder lenken uns anderweitig ab. Damit verlieren wir eine Möglichkeit herauszufinden, was wir uns eigentlich in unserem Job wünschen und was uns gut tut.
Photo: Valeria Ushakova
Fun Science zum Thema
Ich liebe ja wissenschaftliche Studien und teile sie gerne. Denn manchmal sind sie wirklich unterhaltsam, so wie diese hier:
In einer Studie von Johnson (2014) sollten TeilnehmerInnen 15 Minuten in einem Raum ohne Ablenkung warten. Das einzige Utensil in dem Raum, war ein Knopf mit dem sich die TeilnehmerInnen einen Elektroschock verpassen konnten. Diesen haben sie, bevor sie in dem Raum warten sollten, ausprobiert. Er war so unangenehm, dass die TeilnehmerInnen lieber einen kleinen Geldbetrag bezahlt hätten, als noch einen abzubekommen. Jetzt darfst du raten, wie viele der TeilnehmerInnen trotzdem lieber den Knopf gedrückt haben, als 15 Minuten lang nichts zu tun.
Zwei Drittel der Männer und ein Viertel der Frauen! Kannst du dir das vorstellen? Das zeigt aus meiner Sicht sehr gut, wie schwer es uns fällt uns zu langweilen....Oder auch mit unseren Gedanken allein zu sein.
How to Langeweile
Wir du die Langeweile für dich nutzen kannst
Schritt 1: Wie mit allen Gefühlen, rate ich dir, lass sie erst einmal zu. Versuche sie NICHT wegzuschieben, sondern beobachte wie sie sich anfühlt. Welche Gedanken dabei aufkommen und frage dich, was sie dir mitteilen möchte.
Schritt 2: Beobachte dich selbst im Arbeitsalltag. Wie hoch ist deine Langeweile-Toleranz? In welchem Momenten lenkst du dich (un-)bewusst ab, indem du z.B. das Handy zückst, sobald du einen Moment warten musst.
Schritt 3: Wenn du typische Situationen identifiziert hast, dann zücke bewusst nicht das Handy, sondern beobachte deine Gedanken. Gibt es vielleicht etwas, was sich ind einem Job ändern darf?
Schritt 4: Für Langeweile-Profis und eher für's Homeoffice geeignet 😉 Gönne dir bewusst ab und zu mal ein Zeitfenster ohne To-Dos und Ablenkung. Leg dich auf die Couch, oder den Boden, starr die Decke an und warte bis die Langeweile kommt. Das gibt dir Zeit die vielen Eindrücke das Tages zu verarbeiten und wenn die Langweile kommt, sprudeln die Ideen für sinnenhaften Zeitvertreib.
Wie Astrid Lindgren mal so schön gesagt haben soll: "..und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen."
Quellen & Buchempfehlung:
Windscheid (2022): Besser Fühlen. Eine Reise zur Gelassenheit. Rowohlt Verlag.
Johnson (2014): People Prefer Electric Schocks to Time Alone with Thoughts. The Boston Globe